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Geschichtslehrerin gegen das Vergessen

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Unsere Lehrerin Svenja Graf-Wieler verbrachte ihre Faschingsferien in Houston, Texas, um dort im Holocaust Memorial Museum eine Ausstellung zum jüdischen Leben deutscher Juden in Kleinstädten wie Ladenburg zu eröffnen, die sie vor wenigen Jahren (noch in ihrer Studienzeit) konzipiert hat.

Zwei Schulstunden lang durfte die Eingangsklasse nun ihrer GmG- und Deutschlehrerin Fragen rund um die Ausstellung, dem Zustandekommen sowie der Organisation einer solchen Ausstellung sowie dem Inhalt derselben stellen, da Antisemitismus bis heute ein wichtiges Thema – nicht nur im Geschichtsunterricht – ist. Auch über die individuellen Geschichten aus der jüdischen Gemeinde aus Ladenburg bis 1940 und von der noch letzten lebenden jüdischen Zeitzeugin Ruth Steinfield, die in dieser Kleinstadt geboren wurde, wurde dort berichtet. Die Fragen und Antworten haben zwei Schülerinnen, Juliana Dworak und Carolina Stolz, zum Nachlesen aufbereitet:

Zu Beginn steht die Frage im Raum: Wie kam es zu dem Hass, nachdem man Tür an Tür zusammen gelebt und gearbeitet hat?”

Diese Worte bleiben im Gedächtnis, nachdem man das Video von Lea Weems (*1932), der verstorbenen großen Schwester Ruths,  in der Ausstellung “Neighbors 1938” in Houston gesehen hat. Diese Ausstellungen handelt von dem jüdischen Leben, während der Jahre 1930-1940 in Ladenburg. Dass diese Ausstellung nun von Ladenburg nach Houston kommt, war der Wunsch der Zeitzeugin Ruth, nachdem sie die Ausstellung am 10.11.2018 in Ladenburg besucht hatte”.

Ruth Steinfield

Lea und ihre Schwester Ruth gehören zu einer von fünf jüdischen Familien, über die Frau Graf-Wieler und weitere ehemalige Studenten der Universität Heidelberg eine Ausstellung konzipiert haben. Ruth (*1933) lebte in Ladenburg und wurde 1940 nach Dachau deportiert. Mit sieben Jahren wurden sie und ihre Schwester Lea von einer französischen Hilfsorganisation gerettet und die Schwestern mussten sich in einem französischen Bauernhaus verstecken. Dort waren sie staatenlos und konnten keine Bildung genießen. Nach dem Krieg durften Ruth und Lea zu ihrem Großvater in die USA auswandern. Dort gab es aber Kommunikationsprobleme, da die Schwestern kein Englisch konnten und ihr Großvater kein Französisch sprach.

“Funfact”, erzählte uns Frau Graf-Wieler, “Lea wollte unbedingt nach Houston gehen, da sie Cowboys sehen wollte. Nur deswegen sind die Schwestern nach Houston gezogen.” Durch den Holocaust verloren Lea und Ruth ihre Eltern, so wie auch weitere sechs Millionen Jüdinnen und Juden ihr Leben verloren. Das Holocaust Museum in Houston ist das viertgrößte Holocaust-Museum in den USA. Schon von außen merkt man, dass es kein gewöhnliches ist sondern ein Museum, das Geschichte thematisiert, welche niemals wieder so passieren darf. Ein schwarzer Turm sticht einem sofort ins Auge, denn dieser soll einen Schornstein der Konzentrationslager symbolisieren, durch den der Rauch der verbrannten Juden emporstieg. Am Boden des Turmes sind viele Städte, aus denen deportierte oder verstorbene Juden stammen, auf einzelnen Steinen eingraviert. Auf einem der Steine steht auch groß Ladenburg.

“Wie ist die Ausstellung aufgebaut?”, war eine Frage im Unterricht.

Vertreter der Universität Heidelberg und des Museums Ladenburg

Frau Graf-Wieler berichtete, dass auf vier Tafeln die wichtigsten Informationen zusammengefasst sind, damit auch die Amerikaner, die in der Schule nicht viel über den Holocaust lernen, verstehen, warum dieses Thema wichtig ist und man aus dieser Zeit lernen sollten. “Wir haben uns aber eher auf fünf spannende Familiengeschichten aus Ladenburg fokussiert”, fügte Frau Graf-Wieler hinzu.

Sie erzählte uns auch vom Kantor Rosenfelder. Dieser war der “Rabbi” von Ladenburg und unterrichtete die Kinder dort. “Da er im Ersten Weltkrieg für Deutschland gedient hatte, dachte Rosenfelder, dass der Antisemitismus nur eine Phase sei.”, berichtete unsere Lehrerin. Dies ging nicht nur ihm so sondern auch vielen weitern Juden wurde erst nach der Reichspogromnacht bewusst, wie ernst ihre Situation war. Nachdem die Ausstellung im Museum aufgebaut war, mussten die beteiligten StudentInnen den 80 Guides die Ausstellung nahebringen und erklären. “Da habe ich gemerkt, dass ich mein Englisch vielleicht vorher nochmal hätte auffrischen können”, erzählte Frau Graf-Wieler lachend. Nach der Einführung hielten Ruth, Frau Graf-Wieler und weitere Personen, die an der Ausstellung beteiligt waren, Ansprachen.

Lea Wems

Im Anschluss an die Reden von Frau Graf-Wieler und ihren ehemaligen Mitstreiter:innen gab es eine Diskussionsrunde mit dem Publikum: “Warum hat Hitler das getan?” war eine der Fragen, mit denen unsere Lehrerin konfrontiert wurde. Auch, ob das Thema über den Holocaust noch im deutschen Schulsystem thematisiert wird, wurde gefragt.

Da schmunzelte die SG_E, da eine Woche zuvor dieses Thema im Hinblick auf den Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus eine große Diskussion herbeiführte und sich unsere Klasse vielschichtig damit auseinandersetze.

Die letzte Frage, die wir unserer Deutschlehrerin gestellt haben, war, ob sich der Aufwand, der sich über ein Semester und die Semesterferien gestreckt hatte, gelohnt habe.

“Ja”, sagte sie. Sie sei froh gewesen, diese Erfahrung machen zu dürfen und auch mit der jüdischen Hochschule in Ladenburg kooperiert zu haben. Dies war eine Erfahrung wert. Doch nicht nur diese Erfahrung hat sich gelohnt, eine halbe Note besser hat sie für das Seminar auch bekommen. “Aber was ich am besten von dem ganzen Seminar fand”, führte Frau Graf-Wieler weiter aus, war “die Dankbarkeit der Überlebenden der Shoa, nachdem sie die Ausstellung gesehen haben. Das fand ich persönlich am schönsten. Man hat gemerkt, dass es auch für sie wichtig ist, dass ihre Geschichten verbreitet werden.”

Juliana Dworak & Carolina Stolz – SG_E